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Netzschkauer Stadtanzeiger Nummer 10 11 Samstag, 17. Oktober 2015 Die Kirchgemeinde Netzschkau stand vor der Aufgabe, eine eigene Kirche zu errichten. Zwar forderten königliche wie auch behördliche Verfügungen von der Stadtverwaltung seit 1816 einen Neubau. Die fehlenden eige- nen Geldmittel und abgelehnten Unterstützungsgesuche ließen das Vorhaben zunächst scheitern. Dabei lag auch der Gedanke vor, den runden Schlossturm gleichzeitig als Kirchturm zu integrieren. Auf Verlangen des Konsistoriums in Leipzig am 13. Juni 1832 be- gann man mit den Bauvorbereitungen. Kostenvoranschläge und Zeichnungen wurden erarbeitet und notwendige Verhandlungen geführt, auch mit dem Ziel, die notwendige Finanzierung zu si- chern. Der damalige Schlossherr Graf Levin Friedrich von der Schu- lenburg, der gleichzeitig auch das Kirchenpatronat besaß, stellte den unteren Teil des Staudengartens, der bis zur heutigen Elisa- bethstrasse reichte, als Bauplatz zur Verfügung. Weiterhin sagte er 400 Taler sowie Baumaterial zu. An das Langhaus (24,10 m x Die Sicherstellung der erforderlichen finanziellen Mittel brachte 26,25 m) schließt sich nördlich neue Schwierigkeiten. Die Besitzer der 33 Häuser, die nach der der 43 m hohe Turm mit dem 1639 geschlossenen Vereinbarung die Mylauer Kirchenlasten mit Haupteingang an. zu tragen hatten, lehnten die Aufbringung der Baulasten ab. Erst Der Kircheninnenraum ist im nach jahrelangen Verhandlungen und letztlich behördlicher Ent- Stil des Spätklassizismus ge- scheidung hatte jeder Bürger wöchentlich mindestens 3 Pfennige staltet. Die Rundsäulen stellen zum Kirchenbau beizutragen. das bestimmende Gestaltungs- element dar und sind mit Kapi- Die Baukosten waren auf 4537 Taler veranschlagt. Das Kirchenver- tellen verziert. Sie tragen die mögen betrug 1799 Taler, sodass noch 2738 Taler fehlten. zweigeschossigen Emporen Die Rittergutsherrschaft erhöhte den zugesagten Zuschuss auf der Längsseiten, ein kräftiges 1000 Taler. Gesims und die gewölbte De- cke. Solche Säulen umgeben Kirchgemeinden in Zwickau, Plauen und Ölsnitz gaben ihre Kol- auch den Kanzelaltar. In ihm ist lekte (162Taler) nach Netzschkau. Weitere Sammlungen, Beihilfen vom Altar der ersten Schloss- und Spenden, auch vom sächsischen König 200 Taler, besserten die kirche die Alabasterplastik vom finanzielle Lage auf.1838 konnte mit dem Kirchenbau begonnen Bildhauer Johann Böhme (Schneeberg), das Heilige Abendmahl werden. übernommen. Die Grundsteinlegung der jetzigen Kirche fand am 30. April 1838 An den Außenfassaden ist eine Gedenktafel für die 1. Kirche anläss- an der Ecke nach dem alten Kantorat statt. Für die Erdarbeiten zog lich der 300 Jahr-Feier 1929 angebracht. Das Eichenkreuz an der man Gemeindemitglieder, soweit sie dazu fähig waren, heran. Die Längsseite befand sich bis 1953 am Nordflügel des Schlosses und Steine für den Bau brach man bei Foschenroda und in Limbach. war dort 1935 im Kirchenkampf errichtet worden. Die Arbeiten schritten zügig voran, sodass am 31. Oktober 1838, bis auf den Turm, der Dachstuhl aufgesetzt werden konnte und Für die einzelnen Gewerke zeichneten verantwortlich: das Richtfest stattfand. Dachdecker: Friedrich Adolf u. Carl August Schneider, Netzschkau Turmkuppeln: Carl Friedrich Traugott Schneider, Netzschkau Auch während des Baues traten Unannehmlichkeiten und Schwie- Flaschnerarbeiten: Christian Friedrich Baumann, Elsterberg rigkeiten auf, obwohl sich der größte Teil der Einwohnerschaft am Turmkopf Kupferschmiedearbeiten: Mst. Kotzheim, Greiz Bau beteiligte. Mit dem Bau betraute man Maurermeister Johann Vergoldung: Ferdinand Herold, Reichenbach Friedrich Herold aus Greiz und Zimmermeister Johann Gottlieb Glaserarbeiten: Gottfried Heinrich Kunze, Netzschkau Zenner aus Treuen. Den Bau leiteten jedoch deren Söhne Carl Lou- Tischlerarbeiten: Johann Friedrich Hascher, Netzschkau is Herold, der auch die Bauzeichnung erstellte, und Carl Friedrich Schlosserarbeiten: Erdmann Julius Anger, Netzschkau Zenner allein. Turmuhr: Mechaniker Wolfram, Limbach Außerdem war eine Bau-Deputation aus der Netzschkauer Bürger- Orgelbau: Ernst Popp, Ehrenhain/Altenburg schaft ausgewählt worden, zu der neben Bürgermeister Johann Am 18. Oktober 1840, dem Tag der Kirchenweihe, ertönten erst- Gottlieb Reißmann, der Stadtrichter, Stadträte, Kirchen- und Schul- mals die Kirchenglocken. Im Saal und Hof des Schlosses formier- vertreter sowie Präsentanten des Ortes gehörten. te sich 8.00 Uhr ein Festumzug, welcher sich über die Pfarrgasse, Unentgeltliche Baufuhren Holz leisteten die Nachbarorte in Mylau, Markt zur Kirche bewegte, wo der Stadtrichter Zimmermann den Obermylau, Rotschau, Lambzig, Foschenroda, Schneidenbach, Kirchenschlüssel an den Ortsgeistlichen übergab. Die Weihepre- Brockau, Christgrün, Reimersgrün und Herlasgrün. digt zelebrierte Kirchen- und Schulrat Dr. Döhner (Zwickau). Zwei Unfälle 1838, durch Verschüttung in der Sandgrube, über- Die erste Predigt hielt der Netzschkauer Pfarrer Karl Christian Dres- schatteten den Bauablauf, als zwei Arbeiter zu Schaden kamen. Am sel. Am Weihetag vollzog man außerdem die 1. Taufe mit Alwine 17. September 1839 musste der Meister Christian Friedrich Bach- Auguste Zimmermann, sowie die 1. Trauung für Christian Gottlieb mann seinen Einsatz in der Sandgrube mit dem Leben bezahlen. Biedermann und Ernestine Wilhelmine Becher aus Netzschkau.
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